Wann ist eine Wohnung barrierefrei, wann rollstuhlgerecht? 1. Teil
Oft wird das Thema Barrierefreiheit erst dann so richtig präsent, wenn sich das Alter bemerkbar macht oder die Gesundheit nicht mehr ganz mitspielt. Ein schlechteres Sehvermögen, Probleme mit dem Gleichgewicht, Gehstörungen, eine insgesamt eingeschränkte Mobilität oder auch ein erhöhter Pflegebedarf verändern die Anforderungen an das Wohnumfeld.
Damit ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden möglich bleibt, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Schließlich bringt die schönste Wohnung nichts, wenn sich der Bewohner zum Beispiel mit einem Rollator nicht bewegen kann oder ständig über irgendwelche Kanten stolpert.
Auf der anderen Seite haben natürlich auch Vermieter den Bedarf erkannt und werben mit alters- oder behindertengerechten Wohnungen.
Nur: Wann ist eine Wohnung barrierefrei? Ist barrierefrei gleichbedeutend mit rollstuhlgerecht? Und was bedeutet es, wenn eine Wohnung mit Begriffen wie barrierearm, seniorengerecht oder barrierereduziert beschrieben wird?
In einem zweiteiligen Beitrag ordnen wir die Begriffe ein und erklären die Normen:
Inhalt
Die gesetzliche Definition von Barrierefreiheit
Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) enthält eine allgemeine Definition davon, was unter Barrierefreiheit zu verstehen ist. In § 4 BGG heißt es nämlich:
“Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig.“
Konkrete Angaben dazu, welche baulichen Merkmale und welche Ausstattung eine barrierefreie und rollstuhlgerechte Wohnung haben muss, macht das Gesetz aber nicht. Diese Vorgaben sind in DIN-Normen festgelegt.
Info
Im offiziellen Sprachgebrauch tritt das Adjektiv barrierefrei an die Stelle von Begriffen wie behindertengerecht oder behindertenfreundlich.
Solche Begriffe werden kaum noch verwendet. Denn die Kombination aus behindert und gerecht oder freundlich kann einen falschen Eindruck entstehen lassen. So legt sie nahe, dass Menschen mit körperlichen Einschränkungen besondere Unterstützung brauchen und deshalb für sie spezielle Bedingungen vorhanden sein müssen.
Das ist zwar an sich nicht falsch, nur wird das dem Ziel nicht gerecht. Denn tatsächlich geht es darum, dass ein Lebensumfeld so gestaltet werden soll, dass allen Menschen eine uneingeschränkte Teilhabe möglich ist.
Eine barrierefreie und rollstuhlgerechte Wohnung
In Immobilienanzeigen werden verschiedenste Adjektive verwendet. So wird eine Wohnung zum Beispiel als seniorengerecht, schwellenarm oder barrierereduziert beschrieben. Diese Begriffe erwecken den Eindruck, dass die Wohnung auf die Bedürfnisse von Menschen im fortgeschrittenen Alter oder mit einem Handicap ausgerichtet ist.
Klare Regeln und verbindliche Vorgaben gibt es aber nur für die Bezeichnungen barrierefrei und rollstuhlgerecht. Alle anderen Adjektive bieten viel Spielraum.
Die vorgeschriebenen Merkmale, die erfüllt sein müssen, damit ein Gebäude als barrierefrei und rollstuhlgerecht bezeichnet werden darf, definiert die DIN 18040.
Sie legt die Vorgaben für barrierefreies Planen, Bauen und Wohnen fest. Dabei gliedert sich die DIN-Norm in drei Abschnitte.
So ist die barrierefreie Gestaltung
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von öffentlichen Gebäuden in der DIN 18040-1,
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von Wohngebäuden in der DIN 18040-2 und
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vom öffentlichen Verkehrs- und Freiraum in der DIN 18040-3
vorgegeben. Bei Wohnungen unterscheidet die DIN 18040-2 aber noch einmal zwischen dem öffentlichen Bereich von Wohnhäusern und den eigentlichen Wohnungen. Und je nach Bereich ist die Barrierefreiheit etwas anders definiert.
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Öffentlich zugänglicher Bereich von Wohnhäusern: Bezogen auf die Infrastruktur, meint Barrierefreiheit, dass das Wohngebäude auch für Rollstuhlfahrer zugänglich ist. Deshalb ist barrierefrei an dieser Stelle gleichbedeutend mit rollstuhlgerecht. Die Vorgaben schließen die Zufahrtswege, die Garagen, die Flure und den Bereich bis direkt nach der Wohnungstür ein.
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Privater Wohnbereich: Für die Wohnungen selbst gelten zwei Standards. So gibt es zum einen Wohnungen, die barrierefrei nutzbar sind. Zum anderen ist definiert, wann eine Wohnung mit dem Rollstuhl uneingeschränkt nutzbar ist. Barrierefrei und rollstuhlgerecht ist deshalb hier nicht unbedingt das Gleiche.
Eine barrierefreie Wohnung muss also nicht zwangsläufig für einen Rollstuhlfahrer geeignet sein. Umgekehrt ist eine rollstuhlgerechte Wohnung aber immer auch barrierefrei.
Wer auf Wohnungssuche ist, sollte deshalb seinen Bedarf im Blick haben und dann entscheiden, ob er eine barrierefreie oder eine rollstuhlgerechte Wohnung braucht.
Die Vorgaben für eine barrierefreie Wohnung
Gemäß DIN 18040-2 muss eine barrierefreie Wohnung unter anderem folgende Anforderungen erfüllen:
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In den Zimmern, im Flur und auf dem Balkon müssen Bewegungsflächen vorhanden sein, die mindestens 120 x 120 cm groß sind.
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Die Bodenbeläge müssen fest verlegt sein. Außerdem müssen sie rutschhemmend sein, deutliche Kontraste haben und dürfen weder spiegeln noch blenden.
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Die Fenster und die Türen müssen einfach zu öffnen und zu schließen sein. Für die Türen sind eine Breite von mindestens 80 cm und eine Höhe von mindestens 205 cm vorgeschrieben. Die Türklinke muss 85 cm hoch montiert sein. Eine Glastür braucht außerdem eine Sicherheitsmarkierung auf Augenhöhe. Schwellen sollte es möglichst nicht geben und im Bereich der Fenster und Türen müssen Bewegungsflächen vorhanden sein.
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Lichtschalter, Steckdosen und ähnliche Bedienelemente müssen mit einem Abstand von 50 cm zu Raumecken und Begrenzungen montiert sein. Die Höhe sollte bei 85 cm liegen.
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Im Badezimmer schreibt die Norm einen Mindestabstand von 20 cm zwischen der Toilette und einer Wand vor. Der Waschplatz muss im Sitzen nutzbar sein und genug Freiraum für die Beine bieten. Vorgeschrieben ist auch eine bodenebene Dusche mit einem rutschhemmenden Belag. Gleichzeitig muss die Möglichkeit bestehen, im Nachhinein eine Badewanne aufzustellen.
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In der Küche müssen die Arbeitsflächen unterfahrbar und die Geräte im Sitzen nutzbar sein. Außerdem sollte die Küche über Eck angeordnet sein. Ausreichend große Bewegungsflächen sind genauso Pflicht wie eine helle Beleuchtung.
Nicht alle Wohnungen, die als barrierefrei angepriesen werden, erfüllen aber tatsächlich die vorgeschriebenen Standards.
Um Missverständnissen und Streitigkeiten vorzubeugen, ist deshalb ratsam, im Mietvertrag festzuhalten, welche Vorgaben der DIN 18040-2 umgesetzt sind und welche nicht.
Die rollstuhlgerechte Wohnung
Damit eine Wohnung nicht nur barrierefrei, sondern auch rollstuhlgerecht ist, muss sie zusätzliche Merkmale aufweisen. Zu den Anforderungen, die für eine barrierefreie Wohnung gelten, kommen also noch weitere Bedingungen dazu.
So müssen zum Beispiel die Türen in einer rollstuhlgerechten Wohnung statt 80 cm 90 cm breit sein. Und die Bewegungsflächen müssen eine Größe von mindestens 150 x 150 cm aufweisen. Für die Küche, das Bad und die Flächen im Bereich von Möbeln gibt es ebenfalls spezielle Regelungen.
Info
Jedes Bundesland hat seine eigenen Baubestimmungen. Doch die DIN-Normen haben bundesweit Gültigkeit. Deshalb müssen die Bauordnungen der Länder so gestaltet sein, dass sie mit den Vorgaben zur Barrierefreiheit vereinbar sind.
Im 2. Teil nehmen wir uns weitere Begrifflichkeiten vor und zeigen die wichtigsten Punkte für barrierefreien Wohnraum auf.
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Thema: Wann ist eine Wohnung barrierefrei, wann rollstuhlgerecht? 1. Teil
Übersicht:
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